Jeder der Kinder hat kennt diesen Punkt – ein Verhalten seitens des Kindes, das vollkommen gegen die eigenen Werte und Vorstellungen geht. Ein Verhalten, das Dich schockiert, dir vielleicht sogar Angst macht. Auf jeden Fall geht es einher mit Befürchtungen; 

Was wenn das zur Gewohnheit wird? 

Was wäre wenn…

Kann ich das durchgehen lassen?

Sofort schießt es uns in den Kopf: „Das muss doch Konsequenzen haben!“ – denn so sind wir sozialisiert; Gutes Verhalten wird belohnt, schlechtes bestraft. Entweder durch klassisches Strafen, oder durch Konsequenzen. Auch der aktuell noch gängige gesellschaftliche Konsens gibt es so vor. Denn sonst lernt es das Kind ja nie – und das wollen wir, zu seinem Besten, auf gar keinen Fall.

Muss das so sein?

Wie fühlst Du dich damit, wenn du strafst? Stärkt es Dich? Stärkt es die Beziehung zu deinem Kind? Hast du den Eindruck, dass es dadurch etwas lernt?

Ich kenne kaum Eltern, die gerne strafen. Es ist notwendiges Übel und niemand fühlt sich im Anschluss wirklich wohl. Der authentische Teil in uns möchte nicht strafen. Aber eine innere Stimme sagt uns, dass es eben manchmal sein muss. Zum Wohle unseres Kindes. 

Es gibt Studien, die zeigen, dass Strafen oder sogenannte „natürliche Konsequenzen“ nachteilig sind für die Bindung. Kinder lernen dann aus Angst vor der Autoritätsperson das Verhalten nicht mehr zu zeigen. Das heißt nicht, dass sie es nicht an einer anderen Stelle in einer anderen Form kanalisieren. 

Andere Studien zeigen widerum, dass eben gerade eine gute Bindung maßeblich beeinflusst, wie gut ein Kind tatsächlich lernt. Je sicherer die Bindung, desto besser der Lerneffekt. Weiterhin zeigt sich, dass eine optimale Lernumgebung geprägt ist durch ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen.

Kannst Du dich öffnen für die Perspektive, dass Dein Kind etwas lernt, wenn du den Raum hälst und deine Liebe versicherst auch trotz der Missetat?

Nein, du solltest das Verhalten nicht einfach durchgehen lassen. Im Gegenteil – du solltest dir Zeit nehmen genau hinzuschauen. Zu verstehen. Nachzuvollziehen. Teilzunehmen. Empathie aufzubringen. 

DANN ist dein Kind wirklich offen und lernbereit. DANN kann es dir wirklich zuhören und aufnehmen was Du sagst. 

Das ist anstrengender und fordernder als schlicht eine Konsequenz oder eine Strafe zu formulieren. 

Aber es lohnt sich, denn es gewährleistet, dass dein Kind wirklich etwas lernt. Und nicht einfach nur aus Angst das Verhalten Dir gegenüber nicht mehr zeigt (es aber sehr wahrscheinlich an anderen Stellen in anderer Form kanalisieren wird). 

Wie ich es löse

  • Ich versuche zu verstehen, warum mein Kind etwas tut 

–> Frage Dich; was will mein Kind damit eigentlich sagen oder zeigen? Was steckt hinter dem Verhalten 

  • Ich bringe Verständnis für die Strategie meines Kindes auf. –>Spiegle das Verhalten deines Kindes.
  • Ich gebe Raum für die Gefühle. 

–> Sei mit deinem Kind und dem was ist. Halte Dich mit Lösungen zurück

  • Ich sage meine ehrliche Meinung oder gebe einen Hinweis.

–> Hier ist der Raum zum Lernen. Das Kind fühlt sich verstanden und sicher. Wenn die Gefühle abgeflacht sind, ist es aufnahmebereit. Halte Dich kurz!

  • Ich erarbeite gemeinsam Alternativen, indem ich offene Fragen stelle. 
  • Ich schließe ab und führe in eine angenehme Aktivität. 

Beispiel:

L schubst ihren kleinen Bruder, als er auf ihr Playmobil-Spielszenario zugeht. Er stützt dabei und weint.

Ich tröste ihn und prüfe kurz, ob er sich ernsthaft wehgetan hat. Dann geh ich mit ihm auf dem Arm zu ihr. 

Ich: „Du willst ungestört spielen und willst nicht, dass er dein Spiel kaputt macht?“

L : „Ja! Er nervt und macht immer alles kaputt!“

Ich: „Und da kennst du keinen anderen Weg als ihn zu schubsen, um dein Spiel zu retten?“

L: „Er macht eben immer alles kaputt!“

Ich: „Das nervt.“

L: „Ja. (schluchst)“ (Ich halte Blickkontakt und bleibe eine Weile still)

Ich: „Ich kann das gut verstehen. Du willst in Ruhe spielen und er stört dich. Ich wünsche mir hier eine Umgebung in der sich jeder wohl fühlt. Und schubsen tut weh. Er fühlt sich hier gerade nicht wohl. Hast du eine Idee, wie du es noch lösen kannst?“

L: „Ich könnte Nein, stopp sagen.“

Ich: „Ja, das find ich gut. Und wenn das nicht hilft, kannst du auch mich dazu rufen. Ich helfe Dir. Okay? So, jetzt nehm´ ich den Kleinen hier mal mit und du kannst in Ruhe weiterspielen.“

Authentische Konsequenzen

Mit diesem Ansatz fuhr ich die ersten Lebensjahre meiner Tochter sehr gut. Allerdings macht es für mich einen Unterschied, ob ein einjähriges Kind aus Frust schlägt, oder eine Fünfjährige. Was kann ich tun, wenn mich mein Kind schlägt?

Eine Form der Konsequenz, die ich im Laufe der Jahre des Mutterseins vor all meinem  Wissenshintergrund formuliert habe und vertreten konnte, bezeichne ich als „authentische Konsequenz“. 

Wenn mein Kind mich bspw. aus Frust schlägt, dann nehme ich mir eine Auszeit.

Weil es mich verletzt. Und weil ich nicht gerne mit Menschen zusammen bin, die mir wehtun. Also möchte ich 5 Minuten alleine in der Küche sein. Ohne sie. 

„Ich möchte nicht geschlagen werden. Das verletzt mich. Ich brauche jetzt eine Pause und möchte 5 Minuten alleine in der Küche sein“.

Das bewirkt in der Regel das Gleiche wie eine klassische Auszeit die Kindern gerne erteilt werden – jeder bekommt Zeit runter zu fahren. Doch mit dem entscheidenden Unterschied, dass ich für mich einstehe. Dass ich mir Raum nehme. Und damit bin ich ein Modell. 

Im Anschluss wende ich dann die oben aufgeführte Strategie an. Nachdem ich Zeit hatte meinen Frust, meinen Ärger über ihr Verhalten erst einmal zu verdauen. 

Nein, du musst es nicht durchgehen lassen. Sei authentisch. Sei Du. Dann machst du nichts falsch. 

Lasst uns alte Routinen durchbrechen und in eine wirkliche Beziehung zu unserem Kind treten.

Kinder müssen nicht erzogen werden. Kinder wollen begleitet werden. 

Herzensgrüße 

Deine Nina